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Adalbert Seligmann an Arthur Schnitzler, 21. 11. 1902
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Verehrter Freund! Vor allem Verzeihung, daſs ich Ihnen bis jetzt nicht für die Ueberſendung Ihrer beiden
Werke Notiz gedankt habe. Aber ich wollte nicht früher ſchreiben, als bis ich den »Schleier der Beatrice «, über den ich mancherlei gehört, auch geleſen hätte; und ich bin in diesen Tagen durch mannigfache Arbeit und ſonſtige Scherereien nicht gleich dazu gekommen. – Ich weiß, daſs nichts lächerlicher iſt, als wenn man einem Künſtler über sein Werk↑ e Dinge ſagt, die er ſelber viel beſ ſer weiß. Darum nur ſo viel: Ich halte dieſe Arbeit für Ihre dichteriſch bedeutendſte. Die Idee, eine Handlung unter dem Hochdruck, den das Vorgefühl ↑ eines des unentrinnbaren Untergangs erzeugt, ſpielen zu laſ ſen, und dadurch alle Hemmungen fortzuſchaffen, die ſich den immerhin etwas wunderlichen Begebenheiten ſonſt hindernd in den Weg ſtellen möchten, finde ich genial! Die Geſtalt der Beatrice unglaublich rührend und – wahr! Dabei alles trotz der ſchwülen Atmosphäre keinen Augenblick verletzend oder unfein! Allerdings geſteh’ ich, begreife ich ganz gut daſs ein Theaterdirector das Werk ſich nicht aufzuführen getraut. Unſer Publicum, das täglich gemeiner wird – beachten Sie, bei welchen Stellen in einem Shakeſpeare ſtück gelacht wird – würde die Subtilität der pſychologiſchen Vorgänge gewiß nicht verſtehen – da es ſich um das Werk eines Zeitgenoſ ſen handelt. Wenn Sie Kleiſt oder ſo jemand wären –
à la bonheur Notiz
! Aber für einen Kreis verſtändiger und dichteriſch empfindender Menſchen wird Ihr Werk ein wahrer Genuß ſein und bleiben. Ich danke Ihnen noch ſehr für Ihre Liebenswürdigkeit und
bin Ihr
ſtets ergebener

Seligmann

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Bildrechte © Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar

Verehrter Freund! Vor allem Verzeihung, dass ich Ihnen bis jetzt nicht für die Uebersendung Ihrer beiden
Werke Notiz gedankt habe. Aber ich wollte nicht früher schreiben, als bis ich den »Schleier der Beatrice «, über den ich mancherlei gehört, auch gelesen hätte; und ich bin in diesen Tagen durch mannigfache Arbeit und sonstige Scherereien nicht gleich dazu gekommen. – Ich weiß, dass nichts lächerlicher ist, als wenn man einem Künstler über sein Werk Dinge sagt, die er selber viel bes ser weiß. Darum nur so viel: Ich halte diese Arbeit für Ihre dichterisch bedeutendste. Die Idee, eine Handlung unter dem Hochdruck, den das Vorgefühl des unentrinnbaren Untergangs erzeugt, spielen zu las sen, und dadurch alle Hemmungen fortzuschaffen, die sich den immerhin etwas wunderlichen Begebenheiten sonst hindernd in den Weg stellen möchten, finde ich genial! Die Gestalt der Beatrice unglaublich rührend und – wahr! Dabei alles trotz der schwülen Atmosphäre keinen Augenblick verletzend oder unfein! Allerdings gesteh’ ich, begreife ich ganz gut dass ein Theaterdirector das Werk sich nicht aufzuführen getraut. Unser Publicum, das täglich gemeiner wird – beachten Sie, bei welchen Stellen in einem Shakespeare stück gelacht wird – würde die Subtilität der psychologischen Vorgänge gewiß nicht verstehen – da es sich um das Werk eines Zeitgenos sen handelt. Wenn Sie Kleist oder so jemand wären –
à la bonheur Notiz
! Aber für einen Kreis verständiger und dichterisch empfindender Menschen wird Ihr Werk ein wahrer Genuß sein und bleiben. Ich danke Ihnen noch sehr für Ihre Liebenswürdigkeit und
bin Ihr
stets ergebener

Seligmann

    Wie die DATEN-Darstellung funktioniert

    Die angezeigten Daten sind auf ARCHE, im XML oder RDF Format, gespeichert bzw. archiviert. Die Daten können sehr unterschiedlich dargestellt werden. In dieser HTML-Darstellung wurden XSLT-Stylesheets und XPath verwendet um Daten von ARCHE abzufragen und in eine HTML-Struktur zu transformieren. Dieser Prozess schafft die Möglichkeit, eine benutzerfreundliche Web-Applikation zu erstellen.

    Beta Version

    Der Beta Badge weißt darauf hin, dass die XSLT-Stylesheets derzeit noch in Entwicklung sind. Die Darstellung der Daten kann sich daher ändern. Zusätzliche Information zum Projekt oder weitere Funktionen könnten in Zukunft noch hinzukommen.

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    How the DATA-Representation works

    The visualized data are saved and archived on ARCHE in XML or RDF formats. This data can be represented differently. In this HTML-Representation the data is transformed into a HTML structure. This process is achieved with XSLT-Stylesheets and XPath.

    Beta Version

    The Beta Badge is active because the XSLT-Stylesheets are still in development. Therefore, the Web-Application can change and data could be visualized differently. Furthermore, additonal data or functions could be added.

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    • https://arche.acdh.oeaw.ac.at/api/140078
    • https://arche.acdh.oeaw.ac.at/api/140074
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